Sigmar Gabriel im Interview: „Bis 2013 erleben wir eine Tu-Nix-Koalition“

Veröffentlicht am 30.12.2011 in Bundespolitik

Zwei Jahre sind es noch bis zur nächsten Bundestagswahl. Genug Zeit für eine Bundesregierung, um die anstehenden großen Herausforderungen anzugehen. Doch anstatt etwa bei der Pflege, dem Lohndumping und der Altersarmut anzupacken, erwartet SPD-Chef Sigmar Gabriel von der Koalition aus Union und FDP nur zwei verlorene Jahre bis zur Bundestagswahl.
„Die Angst vor Neuwahlen ist bei CDU/CSU und FDP so groß, dass sie bis 2013 durchhalten werden“, sagt Gabriel im Gespräch mit der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag). Merkels Wunschpartner sei die FDP. Sie sei „auf Gedeih und Verderb von ihrem Wohlwollen abhängig, denn nichts muss die FDP mehr fürchten als den Rauswurf aus der Regierung oder Neuwahlen“, so Gabriel.

Dabei gibt es für Gabriel in zahlreichen politischen Themenfeldern dringend Handlungsbedarf: Scharf kritisiert er etwa, dass die CDU sich im Kampf gegen Lohndumping weder auf eine untere Haltelinie festlegen lassen möchte, noch einen einheitlichen, verbindlichen Mindestlohn will. Der SPD-Chef fordert einen Mindestlohn, der so hoch ist, dass jemand, der Vollzeit arbeitet, seinen Lebensunterhalt davon bestreiten kann. „Aber die CDU will auch in Zukunft Millionen Menschen nach der Arbeit zum Sozialamt schicken.“ Wie die Gewerkschaften fordert auch die SPD einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde. „Nur so werden Vollzeitbeschäftigte unabhängig von Hartz IV“, sagt Gabriel. Zudem schützten faire Löhne vor Altersarmut.

Als weiteres dringendes Vorhaben sieht der SPD-Chef das Zurückdrängen des Missbrauchs der zeit- und Leiharbeit an. Neben einem gesetzlichen Mindestlohn müssten deshalb Zeit- und Leiharbeiter mit den Stammbeschäftigten gesetzlich gleichgestellt werden. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Das muss das Ziel sein.“

Anstatt wie CDU/CSU und FDP eine kapitalgedeckte Pflegeversicherung einzuführen strebt die SPD auch in der Pflege eine Bürgerversicherung an, deren Kosten Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gleichen Teilen tragen. Zudem soll Pflege durch Angehörige und professionelle Helfer aufgewertet und prekäre Beschäftigung zurückgedrängt werden. Gabriel: „Um das zu finanzieren, müssen wir zuerst die gesetzliche und die private Pflegekasse zusammenlegen, um die Risiken fair zu verteilen. Und wir werden auch den Pflegeversicherungsbeitrag etwas erhöhen müssen. Das sind wir doch wohl unseren eigenen Eltern und Großeltern schuldig!“